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Schrift: Buchtipp des Monats: Grüß Gott aus Afrika - Deutsche Mentalität aus der Sicht eines tansanischen Missionars. Zu sehen ist das Buchcover, das den Kilimanjaro und die bayrischen Alpen zeigt.

Von der Wir-Gesellschaft in die Ich-Kultur „Man muss sich das Vertraute unvertraut machen, ehe man sich selbst verstehen kann.“ In seiner Rolle als Fremder möchte Emmanuel Kileo zur Reflexion über unser Sosein in Deutschland anregen. Mit Neugier und offenen Sinnen lässt uns der Autor teilhaben an seinem Blick auf die deutsche Befindlichkeit.

Fünf Jahre verbrachte er als Pfarrer und „Missionar“ mit seiner Familie in einer evangelischen Kirchengemeinde im Allgäu. Humorvoll und gewürzt mit vielen Sprichwörtern, präsentiert er Bilder eines für ihn oft erstaunlichen Alltags. Vom Sauerkraut als Begrüßungsessen bis zum Befremden über den Hund auf dem Vordersitz des Autos, das eigentlich ihn mitnehmen soll, führt er uns die Merkwürdigkeiten deutscher Gewohnheiten vor Augen. Wenn es dabei bliebe, wäre das Buch amüsant und relativ belanglos.

Aber Kileo setzt sich mit der für ihn ungewohnten Realität auch in anderer Hinsicht auseinander. Er reflektiert über die Herausforderung der Sprache, die zu verstehen essentiell ist, die zu beherrschen jedoch für eine volle Akzeptanz nur begrenzt hilft, sobald jemand eben deutlich anders aussieht. Der Tansanier macht sich Gedanken über den Unterschied zwischen „zu Hause“ und „daheim“. Und darüber, wie sich das Leben gestaltet, wenn er es aus Sicht seiner Gesellschaft betrachtet, in der das WIR im Vordergrund steht. So ganz anders, als wenn das die Individualität, Denken und Handeln bestimmt. Selbstverständlich schreibt er auch ein Kapitel über den Umgang mit Zeit – etwa über den vergeblichen Versuch, durch Zack-Zack mindestens ein paar Minuten zu sparen, anstatt pole-pole, also gemächlich, im Hier und Jetzt zu bleiben. Er philosophiert über die Tabus, die er in Deutschland erkennt und wundert sich, weshalb zum Beispiel ebenso wenig über Gehalt und Geld gesprochen wird wie über das persönliche religiöse Bekenntnis.

Ausführlich schildert der Pfarrer die unterschiedlichen Arten, den christlichen Glauben zu praktizieren, der beim Großteil der Bevölkerung dem Anschein nach keine Rolle mehr spielt. Auch das Thema Rassismus lässt er nicht aus. Natürlich bedient Kileo auch immer wieder Klischees und nimmt die Gefahr von Pauschalisierung bewusst in Kauf. Manchmal möchte man erklären, dass die Dinge doch einen etwas weiter reichenden Hintergrund haben. Um anregende und zugleich unterhaltsame Lektüre handelt es sich auf jeden Fall. Besonders Menschen, die sich in umgekehrter Situation in Tansania erlebt haben, werden das Buch mit Genuss lesen.

Buchtipp: Emmanuel Kileo: Grüß Gott aus Afrika! Deutsche Mentalität aus der Sicht eines tansanischen Missionars, Erlanger Verlag für Mission und Ökumene, Neuendettelsau 2012, ISBN: 978-3-87214-537-6, 190 Seiten, 15,00 €

von Elisabeth Steinle-Paul - Sie ist Frauenärztin im Ruhestand und seit 2002 Mitglied in der HABARI-Redaktion. Sie hat mehrere Jahre in Tansania gearbeitet und pflegt seitdem vielfältige Kontakte dorthin. Die Rezension ist zuerst erschienen im HABARI 2021/4 "Partnerschaften" (S.53f.)

Onlinelesung

Im Rahmen unseres Studientags 2021 #Beziehungsweise - Auf dem Weg zu einem neuen Verständnis in der Partnerschaftsarbeit hat Emmanuel Kileo aus seinem Buch vorgelesen. Dies kann man hier auf YouTube anschauen: Emmanuel Kileo liest aus seinem Buch "Grüß Gott aus Afrika" - YouTube