Tansanische Wissenschaftler*innen begannen gleich nach der Unabhängigkeit den Maji-Maji-Krieg zu erforschen und Zeitzeug*innen zu interviewen. Das Maji Maji Research Project (1967 – 1969) legte einen Grundstein zur Beschäftigung mit dem Krieg und dessen Folgen. Schulen, Krankenhäuser und Straßen wurden nach antikolonialen Widerstandskämpfer*innen umbenannt und Denkmäler gesetzt - wie das für Kinjikitile Ngwale in Kilwa Kivinje. 1980 wurde das Maji Maji Memorial in der südtansanischen Region Ruvuma errichtet, das neben den Gräbern der Widerstandskämpfer*innen auch ein Museum enthält. Jährlich am 27. Februar, am Jahrestag der Hinrichtungen, wird dort eine Gedenkfeier abgehalten. Die Nachfahren Songea Mbanos, einem der Anführer, sind immer noch auf der Suche nach seinem Kopf, der vermutlich von den deutschen Kolonialist*innen nach dessen Hinrichtung entwendet wurde. Aufgrund der Vereinigung vieler verschiedener Volksgruppen gegen die Kolonialist*innen ist der Maji-Maji-Krieg ein wichtiges Nationalsymbol und Gründungsnarrativ. Beispielsweise nutzte die Unabhängigkeitsbewegung um Julius Nyerere Maji-Maji als Ausdruck für tanganyikische Ideale der Freiheit und Einheit. Jedes Schulkind in Tansania lernt heutzutage über die deutsche Kolonialherrschaft und über den Maji-Maji-Krieg. Gleichzeitig waren die Geschehnisse auch traumatisch und wirken transgenerational immer noch.
Prominent diskutiert werden außerdem Restitutionsforderungen wie die des Dinosaurierskeletts des Giraffatitan brancai, das während der deutschen Kolonialherrschaft in Tendaguru im Südosten Tansanias ausgegraben wurde. Das Skelett ist im Berliner Naturkundemuseum ausgestellt und wurde 2020 von verschiedenen tansanischen Akteuren, jedoch nie offiziell von der Regierung, zurückgefordert. Die Suche nach dem Kopf des Chagga-Widerstandskämpfer Mangi Meli oder des Ngoni-Chief Songea Mbano sind bislang erfolglos. Nachdem er bei einer Parlamentsitzung nach den Plänen der Regierung für eine Entschädigung der Opfer des Maji-Maji-Krieges gefragt wurde, verkündigte der Verteidigungsminister Hussein Mwinyi 2017, dass die tansanische Regierung Reparationsforderungen verlangen werde. Er wolle dem Beispiel kenianischer Forderungen hinsichtlich Mau Mau und der namibischen Herero und Nama folgen. Ein Jahr später jedoch betonte der Außenminister Augustine Mahiga beim Treffen mit seinem Amtskollegen Heiko Maas, dass diese Entschädigungsforderungen singulär sein und auf einzelne Gruppierungen zurückzuführen seien, nicht aber der offiziellen Regierungslinie folgten. Es gäbe andere Wege der gegenseitigen Unterstützung, erklärte er. 2020 rief der tansanische Botschafter in Deutschland, Abdullah Possi, die beiden Parlamente auf, Verhandlungen über das koloniale Erbe und Wiedergutmachung erneut aufzunehmen.
Text: Henriette Seydel