Im vergangenen Monat erschien das Buch "The European Union and Regional Integration in East Africa: Collective and Individual State Priorities Compared" (Routledge 2023); , geschrieben von unserem Vorstandsmitglied Dr. Harrison Kalunga Mwilima! Wir sagen HONGERA SANA! In unserem HABARI-Magazin 03/2023 "Außenpolitik" führte Naima Braun (Koordinatorin Tanzania-Network.de) ein Interview mit dem Politikwissenschaftler, Dozent, Berater und Journalist mit Schwerpunkt Europa-Afrika-Beziehungen.
Tansania auf dem internationalen Parkett
Habari: Harrison, du bist Experte für afrikanisch-europäische Beziehungen. Welche Abkommen und Themen sind derzeit relevant und wie würdest du die außenpolitischen Beziehungen charakterisieren?
Dr. Harrison Kalunga Mwilima: Die Beziehungen sind asymmetrisch und nicht gleichberechtigt. Dies ist offensichtlich auf historische und strukturelle Gründe zurückzuführen, die es Europa ermöglichen, bei der Verfolgung seiner Interessen in Afrika die Oberhand zu behalten und nicht umgekehrt. Die Abkommen und Arten der Zusammenarbeit basieren hauptsächlich auf drei verschiedenen Ebenen: der kontinentalen Ebene (Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und der Afrikanischen Union); der subregionalen Ebene (Zusammenarbeit zwischen der EU und afrikanischen subregionalen Organisationen wie der East African Community); der bilateralen Ebene (Zusammenarbeit zwischen der EU und einzelnen afrikanischen Ländern wie Tansania). In jeder dieser Formen der Zusammenarbeit gibt es jeweils unterschiedliche Interessen und Prioritäten. Dabei handelt es sich vor allem um die Bereiche wirtschaftliche Zusammenarbeit,
Entwicklungszusammenarbeit und politische Zusammenarbeit.
Welches Interesse hat die EU darin, regionale Kooperation wie die Ostafrikanische Gemeinschaft (EAC) zu fördern?
Die EU arbeitet vor allem, mit Ländern innerhalb ihres regionalen Rahmens zusammen. Die EU hat jedoch auch ein Interesse daran, den Integrationsprozess der EAC, einer der stärksten und ältesten regionalen Zusammenschlüsse in Afrika, weiter zu unterstützen, da die EU-Mitgliedstaaten von einer florierenden EAD profitieren würden. Nicht zuletzt wäre ein gut funktionierender EAC-Binnenmarkt ein Absatzmarkt von 280 Millionen Menschen für europäische Produkte. Gleichzeitig hat die EU auch ein Interesse daran, Frieden und Sicherheit zu fördern, da sich die Instabilität in den afrikanischen Ländern negativ auf die europäische Sicherheit auswirken könnte, zum Beispiel durch illegale Migration, Waffen- und Drogenhandel und Flüchtlingsströme.
Für die Verhandlungen über ein Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA), zwischen EU und EAC gab es viel Kritik. 2016 ratifizierte Kenia im Gegensatz zu den anderen ostafrikanischen Ländern das Abkommen. Nun sind die Verhandlungen abgeschlossen und es steht anderen EAC-Ländern offen beizutreten. Wie würdest du den Verhandlungsprozess und Tansanias Haltung einordnen?
Für mich ist dies ein typisches Beispiel dafür, wie die wirtschaftliche Konditionalität der EU funktioniert. Kenia hat das WPA wahrscheinlich unterzeichnet, weil es ein Land mit mittlerem Einkommen ist. Würde Kenia nicht unterzeichnen, wären seine Ausfuhren in die EU mit Zöllen belegt. Tansania hingegen gilt nach wie vor als ein
„am wenigsten entwickeltes Land“ (Least Developed Country, LDC) und kann daher, auch ohne Abkommen, im Rahmen der Handelsregelung "Alles außer Waffen" weiterhin in die EU exportieren. Da Tansania befürchtete, dass der durch die WPA vorgeschlagene Freihandel die lokale Industrie zerstört, lehnte es die Unterzeichnung des WPA 2016 ab.
Abseits der EU: Was ist Deutschlands außenpolitische Motivation und Interesse und warum fördert es die regionale Integration auf bilateraler Ebene, obwohl es eine ähnliche Politik auf EU-Ebene gibt?
Deutschland ist schon seit 1999 einer der stärksten Unterstützer der EAC. Meine Forschung zeigt, dass Deutschlands positive Integrationserfahrungen innerhalb der EU, das Land zu einem aktiven Förderer der regionalen Integration machten. Deutschland ist ebenso wie die EU der Ansicht, dass die Unsicherheit in Afrika
negative Folgen für Europa hat. Darüber hinaus ist Deutschland auch an der Förderung der wirtschaftlichen Integration interessiert und ist der Ansicht, dass gut funktionierende regionale Märkte auch für deutsche Produkte von Vorteil wären. In meinem Buch argumentiere ich auch, dass Deutschlands Förderung der EAC als
eine Möglichkeit gesehen werden könnte, eine starke Partnerschaft mit einer regionalen Organisation zu reaktivieren, in der viele seiner ehemaligen Kolonien in einem regionalen Block konzentriert sind. Die EAC-Mitgliedstaaten, darunter Burundi, Ruanda und das tansanische Festland, waren ehemalige deutsche Kolonien und bildeten das so genannte Deutsch-Ostafrika. Deutschlands andere ehemalige afrikanische Kolonien Namibia, Togo und Kamerun gehören verschiedenen regionalen Organisationen an, nämlich der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC), der Wirtschaftsgemeinschaft Ostafrikanischer Staaten (ECOWAS) und der Wirtschaftsgemeinschaft Zentralafrikanischer Staaten (ECCAS).
In deinem Buch „The European Union and Regional Integration in East Africa” zeigst du verschiedene Herausforderungen für die EAC auf, die durch die mangelnde Koordinierung europäischer Initiativen entstehen. Kannst du uns einen Überblick geben?
Das Fehlen einer umfassenden Koordinierung zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten bei ihren Initiativen zur Unterstützung der regionalen Integration stellt die EAC vor verschiedene Herausforderungen. Diese stellen sich vor allem dann, wenn sie mit der EU und ihren Mitgliedstaaten in den verschiedenen Phasen ihrer Förderzyklen, etwa der Identifikations-, Durchführungs- und Berichterstattungsphase, getrennt verhandeln müssen. Regierungsbeamte müssen etwa in der Identifikationsphase ggf. mit jedem Geber einzeln interagieren. Bei den
Umsetzungsphasen ist es problematisch, wenn Geldgeber beschließen, ihre eigenen Projekte durchzuführen und weder ein Überblick über die Maßnahmen einzelner Geber gegeben ist, noch ein Bild, wie ihre Aktivitäten mit den allgemeinen Zielen des EAC zusammenhängen. In der Berichterstattungsphase ist es schwierig, wenn für die
EAC-Beamten die Auswirkungen der von den Gebern bereitgestellten Mittel nicht ersichtlich und kontrollierbar sind, vor allem wenn diese nicht über die EAC-Haushaltsverfahren laufen.
Wie werden sich multilaterale und bilaterale europäisch-ostafrikanische außenpolitische Beziehungen entwickeln?
Wenn die Dinge so weitergehen wie bisher, wird die Zukunft nur eine Fortsetzung der asymmetrischen Beziehungen sein, bei denen die EU Integrations- und Entwicklungsprojekte finanziert und so in der Lage ist, die Agenda sowie die Bedingungen des Engagements und der Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern
zu bestimmen.
Was muss sich für eine erfolgreiche Zusammenarbeit ändern, was läuft gut?
Damit die Zusammenarbeit zu einer echten Partnerschaft auf gleichberechtigter Basis wird, müssten die afrikanischen Länder ihre Abhängigkeit von Europa bei der Finanzierung ihrer Integrations- und Entwicklungspläne verringern. Dies würde einige strukturelle Veränderungen erfordern, etwa den Zugang zu günstigeren Krediten. Auf diese Weise würden wir die typische Situation vermeiden, an die uns das Sprichwort
erinnert: "Wer die Zeche zahlt, bestimmt die Melodie".
Asante sana für das Gespräch!