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Miaka 60 ya Mapinduzi Zanzibar

„60 Jahre Revolution auf Sansibar“  Miaka 60 ya Mapinduzi Zanzibar 

Am 12. Januar jährt sich die „Sansibar-Revolution“ zum 60. Mal.  Im Januar 2014 wurde auf Sansibar mit viel Prunk der 50. Jahrestag der Revolution gefeiert. Das offizielle Jubiläum dieses epochalen Ereignisses in der Geschichte des halbautonomen Staates war symbolisch aufgeladen, denn es erinnerte an die Machtübernahme eines neuen Regimes im Jahr 1964 – und somit auch an die Gründung eines neuen postkolonialen Gemeinwesens. Plakate, Banner und Flaggen waren auf den öffentlichen Plätzen der Hauptstadt Sansibars sowie in den wichtigsten Städten und Dörfern der Inselsarchipels allgegenwärtig.  

Geschichte 

Als Drehscheibe und Hafen für Waren wie Gold, Elfenbein und Textilprodukte spielte Sansibar eine wichtige Rolle für die Handelsströme des indischen Ozeans. Nach der Ansiedlung persischer Händler im 10. Jahrhundert stieg der arabische Einfluss in den folgenden Jahrhunderten weiter an, und Sansibar kam 1698 unter direkten omanischen Einfluss. 1831 verlegte der Sultan des Oman seinen Regierungssitz nach Stone Town, das seit dem späten 18. Jahrhundert eine zentrale Rolle im Sklavenhandel an der ostafrikanischen Küste einnahm.  

1861 wurde Sansibar ein unabhängiges Sultanat, und 1873 wurde der Sklavenhandel schließlich verboten. Erst 1963 wurde Sansibar, welches 1890 durch einen Vertrag mit dem Deutschen Reich ein britisches Protektorat geworden war, unabhängig. Allerdings gab es geschichtlich und politisch bedingt Spannungen zwischen der Schwarzen und arabischen Bevölkerung, vor allem da die Sultane von den Briten eingesetzt waren und ihnen oft sehr nahestanden. Die Spannungen entluden sich im Januar 1964 in der „Sansibar-Revolution“, in welcher der Sultan und seine mehrheitlich arabische Regierung durch die Mehrheitsbevölkerung der Insel gestürzt und eine sozialistische Regierung unter der Afro-Shirazi Party (ASP) errichtet wurde.  

Die Sansibar-Revolution war ein wichtiger Schritt bei der Vereinigung der ehemaligen britischen Kolonie Tanganjika (1919-1961) und des ehemaligen britischen Protektorats Sansibar (1890-1963) zur Vereinigten Republik Tansania drei Monate nach der Revolution. Die Vereinigung im April 1964 wurde vom ersten sansibarischen Präsidenten Abeid Karume begleitet. 

Ziele der Revolution

Die Revolution hatte einen großen Einfluss auf die Lebensbedingungen der einfachen Bevölkerung. So ermöglichte die Umverteilung des Bodenbesitzes beispielsweise vielen Menschen den Zugang zu Land für die Subsistenzwirtschaft. Durch die Revolution wurden auch Sozialprogramme und Maßnahmen zur Armutsbekämpfung, Bildung, Gesundheitsversorgung und Wohnraumbeschaffung eingeführt. Die Revolution hatte das Ziel, die soziale Ungleichheit zu verringern und allen Bürger:innen gleiche Chancen zu bieten. An die Revolution wird auf der Insel jedes Jahr mit einem Feiertag erinnert. Viele der Revolutionsziele finden sich auch heute in der Agenda 2030.  

Gewalt

Allerdings waren die Folgewochen der Revolution auch geprägt von Massendeportationen und massiver Gewalt gegenüber der arabischen und südasiatischen Bevölkerung Sansibars, welche seit einiger Zeit die Oberschicht gestellt und den Handel dominiert hatte. Einige Quellen beziffern die Todeszahl zwischen 13.000 und 20.000, jedoch ist die exakte Anzahl der in den Folgewochen der Revolution getöteten Araber umstritten.  

Künstlerische Verarbeitung

Die politische Atmosphäre vor der Unabhängigkeit Tanganjikas und Sansibars als auch die Sansibar-Revolution selbst und ihre Folgen wurden vielfach künstlerisch verarbeitet:  

  • Der vielbeachtete Film „Vuta N’Kuvute“ (2021) von Amil Shivji beispielsweise ist ein Politdrama über Liebe und Widerstand, das in den letzten Jahren der britischen Kolonialzeit auf Sansibar spielt. Der Film verwebt die Küstenkultur der 1950er Jahre über die Klassen- und Rassentrennung hinweg, die vom Kolonialregime auferlegt wurden. Er erzählt die Geschichte von Denge, einem frustrierteren und rebellischen sansibarischen jungen Mann, der sich dem Freiheitskampf gegen die britische Herrschaft angeschlossen hat, und der geflohenen indisch-sansibarischen Braut Yasmin, die ihre eigene Unabhängigkeit sucht. Ihre romantische – aber letztendlich verzweifelte – Beziehung ist geprägt von dem täglichen Kampf, ihren ganz eigenen Platz in der Unabhängigkeitsbewegung zu finden. (Link unten)  
  • Der 60. Jahrestag der Revolution ist auch musikalisch verarbeitet worden, so beispielsweise von der Tarab-Gruppe „Big Star“ in ihrem Lied „Miaka 60 Mapinduzi Zanzibar“. Das Lied nimmt unter anderem Bezug auf bedeutende Persönlichkeiten wie den ersten sansibarischen Präsidenten Abeid Karume und betont die Ereignisse der Revolution und ihre Folgen, den mit der Revolution verbundenen Neuanfang sowie den Stolz und Hoffnung, die damit assoziiert werden. (Link unten)  
  • Die Revolution ist auch Bestandteil von Abdulrazak Gurnahs Werk. Der tansanisch-britische Schriftsteller und Nobelpreisträger floh als 18-Jähriger im Kontext der Nachwirkungen der Revolution. Der Roman „Ferne Gestade“, welcher die Lebens- und Fluchtgeschichte zweier Menschen aus Sansibar behandelt, vermittelt eindrucksvoll die Stimmung und Geschehnissen während und nach der Revolution und thematisiert Erfahrungen von Flucht und Neuanfang in Großbritannien.  

Sansibar ist auch eng verbunden mit Freddie Mercury, welcher dort als Kind einer Familie geboren wurde, deren Wurzeln in Indien und Persien liegen – der Geburtsname von Freddie Mercury war Farrokh Bulsara. Auf Sansibar kann man bis heute das Wohnhaus der Familie in Stone Town besichtigen. Die Familie floh wegen der Sansibar-Revolution nach Großbritannien.

Links:

Trailer Vuta N'Kuvute (Tug of War) (2021): https://www.youtube.com/watch?v=Lb8uoU4N3rw

“Sultanate of Zanzibar,” Britannica. Online: https://www.britannica.com/place/Sultanate-of-Zanzibar

BBC (2018). “Freddie Mercury’s complex relationship with Zanzibar,” BBC, 23 October 2018. Online: https://www.bbc.com/news/world-africa-45900712

BissellWilliam C. & Marie-Aude Fouéré (2018). Social Memory, Silenced Voices, and Political Struggle: Remembering the Revolution in Zanzibar. Dar es Salaam: Mkuki ya Nyota Publishers

Burgess, Thomas (2018). “The Zanzibar Revolution and its Aftermath,” Oxford Research Encyclopedias: African History, 28 March 2018. Online: https://oxfordre.com/africanhistory/display/10.1093/acrefore/9780190277734.001.0001/acrefore-9780190277734-e-155#acrefore-9780190277734-e-155-div1-1

Eddoumi, Nabil (2021). “The Zanzibar Revolution of 1964,” Black Past, 28 November 2021. Online: https://www.blackpast.org/global-african-history/events-global-african-history/the-zanzibar-revolution-of-1964/

PM News Nigeria (2022). “Why I fled my country at 18 years – Nobel prize winner Abdulrazak Gurnah,” PM News Nigeria, 1 December 2022. Online: https://pmnewsnigeria.com/2022/12/01/why-i-fled-my-country-at-18-years-nobel-prize-winner-abdulrazak-gurnah/