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kind mit schweren korb auf kopf. orangener hintergrund. Text: 12. Juni welttag gegen kinderabeit. Laut der Erhebung der International Labour Organization 2021, arbeiten in Tansania etwa  ein Drittel der Kinder  zwischen 5 und 17 Jahren,  das sind circa 4,2 Millionen.

Der 12. Juni ist der internationale Tag gegen Kinderarbeit. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen müssen rund 152 Millionen Kinder unter 17 Jahren schwer arbeiten. Einen Blick nach Tansania wirft Elisabeth Steinle-Paul in ihrem HABARI-Artikel zu unserer Ausgabe "Arbeit", die bald erscheint. Hier können Sie den Text schon mal vorab lesen. 

Kinderarbeit in Tansania

Mädchen, die hochgetürmte Feuerholzstapel oder schwere Wasserkanister auf dem Kopf transportieren, Jungen, die mit einem Stock Vieh in der staubigen Savanne vor sich hertreiben, Kinder, die sich mit der Hacke in der Hand auf winzigen Feldern zusammen mit ihren Eltern abmühen oder auf der Straße Kleinigkeiten zum Verkauf anbieten – Bilder aus dem ländlichen Tansania, die gerne auch als beliebte Fotomotive dienen. Sie sind in Wirklichkeit Abbild einer rauen Kindheit, die wenig mit romantisierenden Vorstellungen zu tun hat. Beispiele für Kinderarbeit, die sich zwischen notwendiger Mithilfe und Ausbeutung abspielt und viele Facetten aufweist.

Wie in den meisten Ländern der Welt ist ausbeuterische Kinderarbeit auch in Tansania verboten. 

Kinder sollen in die Schule gehen und dort dank Bildung die Chance auf ein besseres Leben erhalten. Mehrere Nationale Vorhaben zur Beendigung der Kinderarbeit wurden bereits verabschiedet: im Jahr 2009 ein Nationaler Aktionsplan zur Beseitigung der schlimmsten Arten von Kinderarbeit sowie später dann eine Nationale Strategie zur Beseitigung von Kinderarbeit für den Zeitraum 2018-2022. Wobei Tansania und Sansibar unterschiedliche Bestimmungen und Regelungen in Bezug auf Kinderarbeit formulieren.

Laut der Erhebung der International Labour Organization 2021, arbeiten in Tansania etwa ein Drittel der Kinder zwischen 5 und 17 Jahren, das sind circa 4,2 Millionen Kinder dieser Altersgruppe.  

Bei der differenzierten Betrachtung nach Ort und Alter ergeben sich allerdings sehr unterschiedliche Situationen. So findet man die meiste Kinderarbeit auf dem Land, wo etwa 30% der Kinder von 5 bis 13 Jahren unentgeltlich in der häuslichen Landwirtschaft mitarbeitet, 20 Stunden pro Woche im Schnitt. Je nach Arbeitszeit und Entfernung zur Schule besuchen diese Kinder den Unterricht mehr oder weniger regelmäßig oder sie bleiben ohne Bildung. Eine Rolle spielt dabei auch der soziale Status der Eltern und ob diese die Kosten für Schuluniform und Lehrmaterial trotz offiziell gebührenfreier Schule aufbringen können. Viele Eltern erzielen nicht das nötige Einkommen und benötigen die Arbeitskraft der Kinder, um die Familie mit dem Notwendigsten durchzubringen. In den Städten sieht die Situation ganz anders aus, dort spielt die Kinderarbeit bei den 5 bis 13 Jährigen ein deutlich geringere Rolle. Aber auch regionale Unterschiede sind beachtlich. So liegt ist die Kinderarbeit auch in dem ländlichen in Mbeya und Njombe und in Dar im deutlich einstelligen Bereich.

Besonders gefährliche Arbeiten im Tabakanbau, Zuckerrohr- und Sisalplantagen oder in Goldminen

Betrachtet man die Altersgruppe der 14 bis 17 Jährigen stellt sich ein anderes Bild dar. Arbeit ist ab 14 Jahren in Tansania entgegen der internationalen Bestimmungen legal, leichte Arbeit sogar ab 12 Jahren. Auf dem Land findet man jetzt die Hälfte der Kinder in Arbeit, in der Stadt wieder deutlich weniger. Illegal sind jedoch Arbeiten, die für die Heranwachsenden eine Gefahr für Gesundheit und Entwicklung darstellen. Die Verbote werden jedoch nicht durchgesetzt. In der Landwirtschaft sind das vor allem Beschäftigungen im Tabakanbau, in Zuckerrohr- oder Sisalplantagen.  Insbesondere betrifft das aber die Arbeit im Umgang mit Chemikalien, beim Tragen schwerer Lasten, Dauer- und Nachtarbeit. Die problematischste Rolle spielt dabei der Bergbau, in Tansania vor allem in den Goldminen des Kleinbergbaus. Die minenreiche Geita Region hat z.B. den landesweit größten Anteil von 50% dort beschäftigter Kinder, auch von jüngeren. Es werden extrem giftige Chemikalien verwendet, um das Edelmetall zu extrahieren. Das Risiko einer Quecksilbervergiftung ist für Kinder besonders groß. Diese kann zu schweren neurologischen und Entwicklungsproblemen führen.  Kinder arbeiten in jeder Phase des Abbauprozesses: Sie graben, bohren, zermahlen das gefundene Gold zu Pulver und verwenden Quecksilber, um die Goldpartikel anzuziehen. 

Auf der anderen Seite arbeiten viele junge Mädchen unter oft ausbeuterischen Bedingungen und häufig mit der Gefahr von sexuellem Missbrauch in Haushalten bei fremden oder verwandten Familien.  Eine besonders gefährdete Gruppe stellen Kinder mit migrantischen Hintergrund oder Aidswaisen dar, die keinen sicheren familiären Hintergrund haben und zur Arbeit gezwungen sind.

Kinderarbeit konkurriert mit Schulbildung und erhöht die Jugendarbeitslosigkeit

Lassen sich für die meisten Kinder bis zum 9. Lebensjahr noch Arbeit und Schulbesuch verbinden, so wird die Vereinbarkeit mit zunehmendem Alter geringer. Gegen Ende der Pflichtschulzeit besucht nur noch knapp die Hälfte der arbeitenden Kinder die Schule, während über 70 Prozent der Kinder, die nicht arbeiten, weiter am Unterricht teilnehmen. Etwa 8% der grundschulpflichtigen Kinder bleiben der Schule ganz fern.  

Die Jugendarbeitslosigkeit wird unterschiedlich erfasst und angegeben und liegt laut ILO bei 12 Prozent, vergleichsweise höher in den städtischen Gebieten. Ein Großteil der betroffenen jungen Leute zählt zu den Langzeitarbeitslosen. Nicht erfasst sind die Jugendlichen, die unterbeschäftigt sind und eigentlich mehr arbeiten wollten. Auf dem Land findet sich zwar häufiger eine Beschäftigung, zum größten Teil in der Landwirtschaft und im informellen Sektor, wo von sicheren und geregelten Arbeitsbedingungen nicht die Rede sein kann. Auch die Arbeit auf dem elterlichen oder gar eigenen Land bietet keinen Ausweg aus der Armut.

Es gibt noch viel zu tun

Eine Beobachtungskommission der ILO (CEACR) bestätigt, dass die Schritte der Regierung mit der Nationalen Strategie zur Beseitigung der Kinderarbeitslosigkeit in die richtige Richtung gehen, mahnt aber an, dass noch effektivere Maßnahmen zur Umsetzung ergriffen werden müssen. Bisher erfolgt die Umsetzung nur sehr punktuell. Insbesondere soll der Zugang zu einem qualifizierten Schulbesuch durch unterstützenden Maßnahmen gewährleistet werden, zum Beispiel durch die soziale und finanzielle Unterstützung der Familien, die momentan auf die Mitarbeit der Kinder angewiesen sind. Auch die Verbesserung der Schulgebäude und Ausstattung und Qualität des Unterrichts wird angemahnt.

Bezüglich der gefährdenden Kinderarbeit werden strengere Kontrollen, Bestrafung der Arbeitgeber bei Verstößen und die Durchsetzung des gesetzlichen Verbots gefordert. Auch Human Rights Watch beanstandet die laxe Handhabe des Verbots. Arbeitsplätze in den entsprechenden Betrieben müssen sicherheitstechnisch umgestaltet werden Die personelle Situation in den Behörden zur Arbeitsüberwachung ist bisher zu dünn, um effektive Ergebnisse zu erzielen. 

Junge Erwachsene brauchen mehr Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche und Qualifizierungsangebote. Auch Finanzierungsberatung und Angebote zur Selbstständigkeit könnten die Situation der Jugendarbeitslosigkeit Arbeitslosigkeit verbessern.

Es gibt auf jeden Fall noch viel Luft nach oben bei der Beseitigung und Reduzierung von Kinderarbeit, die nicht isoliert von der gesellschaftlichen und familiären Kontext gesehen werden kann. Und auch die Jugendarbeitslosigkeit erfordert einen breiten Ansatz, gerade in Zeiten wirtschaftlicher Veränderungen.

Quellen: