In der Reihe „Gebrauchsanweisung für …“ erscheinen keine herkömmlichen Reiseführer, sondern Bücher mit ganz eigenem Charakter. An Stelle der üblichen systematischen Aufzählung von Sehenswürdigkeiten, Übernachtungsangeboten oder Eintrittspreisen erzählen Liebhaber*innen der jeweiligen Länder und Städte anekdotisch und lebendig von spezifischem Lebensgefühl und nationalen Besonderheiten. Der Umstand, dass die meisten Autor*innen keine Einheimischen sind und somit eine Außenperspektive auf die Länder werfen, lässt den Titel „Gebrauchsanweisung“ jedoch anmaßend klingen.
Im Frühling 2023 legte nun die österreichische Kulturredakteurin, Journalistin und Autorin Monika Czernin ihre „Gebrauchsanweisung für Tansania“ vor. Die Texte zeugen von großer Sachkenntnis und Tansania-Philie. Plastische Schilderungen der „Augenblicksglückseligkeit“ (S. 28) – eine treffende Wortschöpfung – und zahlreiche Beispiele für ökologisch und sozial nachhaltigen Tourismus zeichnen das Bild eines lohnenswerten Reiseziels. Dabei geht die Autorin nicht nur auf die typischen Highlights Sansibar, Ngorongoro, Serengeti und Kilimandscharo ein, sondern nimmt auch andere Nationalparks, Orte und Routen jenseits des Massentourismus ins Visier – darunter Chole, Ruaha, Iringa oder die Festlandküste. Unaufdringlich erhalten die Leser*innen Kenntnisse über die komplexe Geschichte Ostafrikas, und auch die gewaltvolle Kolonialherrschaft der Deutschen wird nicht ausgespart. Die Verfasserin bewundert die Ubuntu-Philosophie und gibt Einblick in das Füreinander und Miteinander. Besonders gelungen sind die Kapitel über Daressalam und Arusha, die über ausgebildete Mittelschichten eine kreative Kunstszene, digitale Start-Ups sowie hippe Viertel informieren.
Damit bricht Czernin mit einem einseitigen Afrikabild, das in anderer Reiseliteratur oftmals dominiert. In der Einleitung geht sie kritisch auf koloniale Kontinuitäten ein und schreibt von Komplexität und Dekolonisierung. Gerade deswegen ist es enttäuschend, doch wieder von „europäischen Hoffnungsbringern“, „Lehmhütten“ oder „Kolonialromantik“ zu lesen. Aussagen, die aus rassismuskritischer Sicht problematisch sind, weil sie tradierte Narrative der Unterentwickeltheit und Bedürftigkeit fortsetzen. Auch die Motive des Abenteuers und der unberührten Wildnis Afrikas fügen sich – zusammen mit dem Buchcover, das dem Inhalt eigentlich nicht gerecht wird – in die stereotype Erwartung an einen Tansania-Reiseführer ein. Anstatt vorwiegend tansanische Akteur*innen vorzustellen, bezieht sich die Autorin öfter auf Projekte weißer Expats. Dabei verweist sie immerhin selbstkritisch auf die Tatsache der europäisch geprägten Tourismusindustrie. Einer derartigen strukturellen Benachteiligung hätte womöglich mit einem/r tansanischen Co-Autor*in entgegengewirkt werden können – auch um dem Anspruch „Gebrauchsanweisung“ umfassender zu genügen.
Aber vielleicht heißt das Fazit der – trotz der genannten Kritikpunkte – interessanten Lektüre, die das komplexe Feld des Tourismus beleuchtet und auch für erfahrene Ostafrika-Reisende neue Einsichten bringen wird: Eine Anleitung, wie das facettenreiche Tansania zu erleben ist, gibt es – anders als der Reihentitel suggeriert – eben nicht.
Monika Czernin, Gebrauchsanweisung für Tansania, Piper-Verlag München 2023, ISBN 978-3-492-27748-8, 224 Seiten, € 16,00
Rezension von Henriette Seydel, zuerst erschienen im HABARI 02/2023 "Tourismus"