Direkt zum Inhalt

Bundestagswahl: Petition zur kolonialgeschichtlichen Aufarbeitung

Petition zur Bildung der neuen Bundesregierung:

“Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte im Koalitionsvertrag verankern“

JETZT UNTERSCHREIBEN

Die Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus und seinen Wirkungen bis in die Gegenwart stößt in Deutschland auf zunehmendes Interesse und mediale Berichterstattung (z.B. Zeit-Magazin, 24.10.2024; Tagesspiegel, 27.11.2024; Der Spiegel, 19.09.2024). Auf zivilgesellschaftlicher Ebene erforschen lokale Initiativen koloniale Verbindungen in ihrem Umfeld. Verstärkt befassen sich Museen, Bibliotheken und Universitäten sowohl mit der Geschichte ihrer kolonialen Verstrickung als auch mit der Herkunft ihrer Bestände und möglichen Rückgaben an die Herkunftsgesellschaften.

Einige berufsspezifische Verbände, etwa im Bereich Architektur und Rechtswesen, erforschen ebenfalls ihre kolonialgeschichtlichen Bezüge. Christliche Missionsgesellschaften reflektieren zunehmend ihre Rolle während der deutschen Kolonialherrschaft. Literatur, Theater, Film und bildende Kunst thematisieren in zahlreichen Beispielen die kolonialen Verflechtungen Deutschlands.

Im Kontext der kontroversen Diskussion über das Gedenkstättenkonzept des Bundes befürworten zahlreiche Leitungen der Gedenkstätten zu NS-Diktatur und SED-Unrecht eine dritte Säule der deutschen Erinnerungspolitik zu Kolonialismus. Die heutige Relevanz des Themas in Deutschland ist insbesondere auch der jahrzehntelangen Vorarbeit von Diaspora-Gemeinschaften, zivilgesellschaftlichen Initiativen und engagierten Einzelpersonen zu verdanken.

Parallel zur Entwicklung in Deutschland bzw. im weiteren europäischen Kontext fordern die postkolonialen Nationalstaaten des Globalen Südens immer lauter, die ins Ausland verbrachten Ahnen („menschliche Gebeine“) und Cultural Belongings („Kulturgüter“) zurückzuführen und erlittenes Unrecht zu entschädigen. Beispielsweise haben die Regierungen von Kamerun, Tansania und Ghana (der östliche Landesteil gehörte zu Deutsch-Togoland) nationale Gremien eingerichtet, die Strategien für Restitutionsverhandlungen mit der Bundesregierung und anderen ehemaligen Kolonialmächten vorbereiten.

In diesem Prozess ist die Verwendung von Begriffen wie „Ahnen“ und „Cultural Belongings“ wesentliche Voraussetzung für einen würdevollen Umgang mit dem sogenannten „Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten“ in Deutschland.

Forderungen der Petition:

  • Erweiterung des deutschen Gedenkstättenkonzepts um eine dritte Säule „Kolonialismus“.
  • Klärung der jeweiligen Ressortzuständigkeiten für die Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte im Rahmen eines gesamtstaatlichen Konzepts.
  • Vorbereitung eines Gesetzes für die Rückführung der Ahnen und gegen den Handel mit menschlichen Gebeinen.
  • Schaffung von Förderinstrumenten zur Rückführung von Ahnen und Cultural Belongings mit Möglichkeit der direkten Förderung von Vertreter*innen betroffener Gemeinschaften sowie Forscher*innen, Künstler*innen etc. aus Herkunftsgesellschaften, z.B. zur Kostenübernahme bei Reisen, Recherchen und Rückführungen.
  • Angemessene Entschädigungen zur Anerkennung des kolonialen Unrechts unter Berücksichtigung der Forderungen von betroffenen Gemeinschaften und der Zivilgesellschaft..
  • Langfristige Absicherung der Anlaufstelle zur Identifikation von Ahnen und Cultural Belongings bei der “Kontaktstelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten”.
  • Aufstockung der Mittel für postkoloniale Provenienzforschung über das “Deutsche Zentrum für Kulturgutverluste” (mit Möglichkeit der direkten Förderung an Herkunftsgesellschaften.
  • Vertiefung der Kooperation mit Kultureinrichtungen im Globalen Süden (u.a. über Programme wie das MuseumsLab, den deutsch-französischen Provenienzforschungsfonds, die Agentur für Internationale Museumskooperation).
  • Etablierung von Förderinstrumenten für gleichberechtigte Wissenschaftskooperationen zwischen Deutschland und Staaten des Globalen Südens zur Erforschung des Kolonialismus und seiner Folgen..
  • Errichtung eines Lern- und Erinnerungsorts Kolonialismus, der dezentrale Initiativen in Deutschland und Gedenkorte in den Folgestaaten der ehemaligen deutschen Kolonien einbezieht.
  • Einrichtung eines zivilgesellschaftlich-wissenschaftlichen Beirats mit internationaler Beteiligung, der die Bundesregierung bei der kolonialgeschichtlichen Aufarbeitung berät.
  • Vereinfachung der Visavergabe, um Dialog und Zusammenarbeit zu erleichtern, z.B. durch Fast-Track-Verfahren für Kooperationsprojekte mit Deutschland.

Als Nachfahren der Täter*innen tragen wir, trägt die deutsche Gesellschaft insgesamt, eine Verantwortung zur Aufarbeitung der kolonialen Gewaltherrschaft. Die Auseinandersetzung damit und mit den bis heute nachwirkenden Folgen (Stichwort: Rassismus) ist nicht nur für eine Stärkung der historischen Urteilskraft hierzulande von Bedeutung. Sie bietet auch die Chance für eine neue Beziehungsethik zwischen unseren kolonialgeschichtlich verflochtenen Gesellschaften.

Die künftige Bundesregierung kann hier Zeichen setzen und in Abstimmung mit der Europäischen Union Prozesse anstoßen und unterstützen, z.B. durch neue Förderinstrumente und europäisch-afrikanische Kooperationsprojekte.

Berlin, Frankfurt, Freiburg, 19.01.2025

Redaktionsgruppe:

  • Prof. Dr. Hansjörg Dilger, Freie Universität Berlin
  • Prof.in Dr. Larissa Förster, Humboldt-Universität zu Berlin
  • Dr. Thomas Fues, Blog „dekolonial-erinnern.de“
  • Gita Herrmann, Kuratorin
  • Prof. Dr. Andreas Mehler, Universität Freiburg
  • Daniela Tschuschke, Tanzania Network e.V.

Kontakt: Gita Herrmann; Email: Kolonialgeschichte.KoaV(at)gmail.com

Unterstützung der Petition:

Die Unterschrift für die Petition ist möglich auf der Campact Plattform WeAct JETZT UNTERSCHREIBEN

Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung!